Gender Health Gap: Jede 6. Frau fühlt sich medizinisch benachteiligt

Gender Health Gap: Was man dagegen tun kann

Der Begriff Gender Health Gap beschreibt etwas, das viele Frauen schon erlebt haben – ohne den Fachausdruck dafür zu kennen: Unterschiede in der medizinischen Behandlung, die vom Geschlecht abhängen.

Im Rahmen einer Pressekonferenz der Allianz im Palais Coburg wurde eine repräsentative Umfrage vorgestellt, die genau dieses Thema beleuchtet – und dabei aufzeigt, wie groß der Handlungsbedarf in Österreich ist. Zentrale Fragestellungen der Studie* waren: Wie beurteilen die Menschen Qualität und Vertrauen in das Gesundheitssystem? Gibt es ein Bewusstsein für geschlechtsspezifische Unterschiede? Und: Welche persönlichen Erfahrungen und Verbesserungswünsche haben die Befragten geäußert?

Die Ergebnisse überraschen, machen nachdenklich und sollen vor allem eines sein: ein Anstoß zur Veränderung – für mehr Gerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung.

Wenn Gesundheit nicht für alle gleich bedeutet: Vertrauen sieht bei Frauen anders aus

In Österreich sind die Menschen grundsätzlich mit dem Gesundheitssystem zufrieden – zumindest auf den ersten Blick. Doch wer genauer hinschaut, erkennt einen deutlichen Unterschied: Frauen bewerten die Qualität und ihr Vertrauen in die medizinische Versorgung deutlich schlechter als Männer.

Dieses Gefühl betrifft nicht nur Einzelfälle, sondern zieht sich durch viele Lebensbereiche: von der Hausarztpraxis bis zur Notaufnahme. Während Männer sich öfter gut aufgehoben fühlen, erleben Frauen häufiger Unsicherheit oder sogar Misstrauen. Und das hat Folgen – für die körperliche wie seelische Gesundheit.

Der Gender Health Gap – ein Begriff, der kaum bekannt ist

Trotz wachsender wissenschaftlicher Erkenntnisse wissen viele Menschen nicht, was der Gender Health Gap überhaupt ist. Die Umfrage der Allianz zeigt: Der Begriff ist für den Großteil der Österreicher:innen ein Fremdwort.

Vor allem junge Menschen und Frauen sind mit dem Thema etwas vertrauter – doch insgesamt fehlt es an Bewusstsein. Dabei geht es um mehr als nur medizinische Fachbegriffe. Es geht darum, dass Frauen und Männer unterschiedlich krank werden, Symptome anders wahrnehmen – und auch unterschiedlich behandelt werden.

Dass dieses Wissen bisher kaum in der breiten Öffentlichkeit angekommen ist, macht deutlich, wie viel noch getan werden muss – auch in der Ausbildung medizinischen Fachpersonals und der öffentlichen Aufklärung.

Jovana Nović, COO Allianz Österreich und Alexandra Kautzky-Willer, Professorin für Gendermedizin an der Medizinischen Universität Wien (rechts), präsentierten die neue Umfrage der Allianz im Palais Coburg/ Copyright: Allianz/Cardes

“Das ist doch nur Einbildung” – Erfahrungen, die viele Frauen teilen

Viele Frauen berichten davon, dass ihre Beschwerden nicht ernst genommen oder verharmlost werden. Aussagen wie „Das ist normal“, „Das kommt vom Stress“ oder gar „Stellen Sie sich nicht so an“ sind leider keine Seltenheit.

Unsensibles Verhalten empfinden 51 Prozent der Frauen als Problem – bei Männern sagen das nur 39 Prozent. Fast jede sechste Frau hatte bereits den Eindruck, dass ihr Geschlecht ihre medizinische Behandlung negativ beeinflusst hat. Besonders betroffen ist dabei die junge Generation: Vor allem Frauen zwischen 14 und 29 Jahren machen hier häufiger schlechte Erfahrungen.

Das Gefühl, nicht gehört oder ernst genommen zu werden, ist belastend – und kann dazu führen, dass medizinische Probleme zu spät erkannt oder falsch eingeschätzt werden. Besonders bei diffusen Symptomen wie Schmerzen, Müdigkeit oder psychischer Belastung zeigt sich: Medizin ist oft noch zu wenig auf weibliche Lebensrealitäten abgestimmt.

Wie die Daten zeigen, sind es vor allem junge Menschen und Frauen, die den Gender Health Gap persönlich erfahren – durch unpassende Diagnosen, oberflächliche Gespräche oder das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Diese Zahlen belegen, was viele bereits ahnten: Die Lücke ist nicht nur statistisch, sondern spürbar. Und sie betrifft die Gesundheit – also das, was für uns alle am wichtigsten ist.

Gleiche Rechte – auch in der Forschung

Ein Grundproblem liegt tief im System: Frauen sind in medizinischen Studien oft unterrepräsentiert. Medikamente, Diagnoseverfahren oder Therapien werden noch immer vielfach an Männern getestet – obwohl sich Körper und Hormonhaushalt unterscheiden.

Die Befragten sehen hier klare Lösungsansätze: Mehr geschlechtsspezifische Forschung, eine bessere Ausbildung von Ärzt:innen und gezielte Fortbildungen zum Thema Gendermedizin. Nur wenn beide Geschlechter systematisch in Studien berücksichtigt werden, können Diagnosen präziser und Therapien effektiver werden – für Männer wie Frauen.

Copyright: Allianz/Cardes

Gesundheit darf keine Frage des Geschlechts sein

Die Mehrheit der Österreicher:innen spricht sich klar dafür aus: Die medizinische Versorgung sollte stärker auf geschlechtsspezifische Unterschiede eingehen.
Viele wünschen sich spezielle Fortbildungen für Ärzt:innen, die Integration von Gendermedizin in das Medizinstudium und eine stärkere öffentliche Diskussion zum Thema Gender Health Gap.

Auch eigene Fachabteilungen oder Kliniken für geschlechtersensible Medizin werden als sinnvoll erachtet. Und nicht zuletzt: Aufklärung. Denn wer versteht, wo Unterschiede liegen, kann sie auch besser adressieren – medizinisch wie gesellschaftlich.

Der Gender Health Gap ist mehr als ein theoretisches Konzept. Er betrifft echte Menschen mit echten Beschwerden – und ein System, das noch nicht für alle gleich gut funktioniert.

Copyright: Allianz/Cardes

*Die Befragung wurde vom 10. bis 17. März 2025 durchgeführt, teilgenommen haben Personen zwischen 14 und 75 Jahren – die größte Gruppe war zwischen 50 und 59 Jahre alt.

Bildquellen

  • Gender Health Gap: nensuria/ istock

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